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Wenn der Käse hoch hinauswill

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Ein Aufstieg durch den Wald und über den Forstweg, entfernt klingen Kuhglocken und die Sonne scheint. Eine letzte Kurve noch und da ist sie – die Penaud Alm im Schnalstal, das Ziel unserer Wanderung. Malerisch eingebettet liegt die höchste Sennalm Südtirols in einem kleinen Kessel auf 2323 m. Sie wird seit rund acht Jahren mit viel Leidenschaft von Felix Trientbacher und Maria Linser geführt. Wir durften sie bei ihrer inspirierenden Arbeit begleiten.

Sie sagen Cheese: Felix und Maria widmen ihre Zeit und Liebe dem Käse. Mit Erfolg!

Für Felix ist es bereits der 31. Almsommer. Das Leben auf dem Berg kennt er schon, seit er ein kleiner Bub war. Auch das Käsen gehört für ihn zum Leben dazu und schon fast ein Jahrzehnt teilt der 40-Jährige diese Leidenschaft mit Maria, mit der zusammen er nun jeden Sommer auf die Alm zieht. Es ist ein Leben von und mit der Natur, das man lieben muss. Ist die Almidylle doch auch stets mit viel Arbeit und mit langen Tagen verbunden.
Noch vor Sonnenaufgang ist bereits geschäftiges Treiben vor dem Fenster zu hören. Philipp, der Hirte der Penaud Alm, holt die Tiere zum Melken in den Stall. Die Kühe bleiben immer draußen, außer bei Schlechtwetter, und werden nur zum Melken eingeholt. Dadurch müssen die rund 25 Rinder auch nicht zugefüttert werden und in der Milch steckt die ganze Kraft und Natürlichkeit der Alm. In der Philosophie von Felix und Maria dreht sich vieles, wenn nicht sogar alles, um die Abläufe der Natur und wie diese unser Tun beeinflussen. Das merkt man auch, wenn man Felix in der Sennerei über die Schulter blicken darf. Dort treffen wir ihn gerade, als er die frische Milch vom Stall in den Kessel fließen lässt. Hier wird diese nun mit der Milch vom Vorabend gemischt und erhitzt. Rund 250 l Milch kommen heute zusammen, an ganz besonders guten Tagen sind es auch manchmal über 400 l. Für 1 kg Käse braucht es ungefähr 10 l Milch. Ein Laib vom Bergkönig, wie er bei den Cheese Awards zur Verkostung kommt, wiegt am Ende um die 25 kg.
Wie viele Liter letztlich im Kessel landen, hängt auch mit dem Futter der Tiere zusammen. Da dieses auf der Penaud Alm kaum von Menschenhand beeinflusst wird, ist auch der Milchertrag nicht jeden Tag gleich. Mit dem heutigen Ertrag beginnt Felix mit den ersten Schritten der Käseproduktion, während Philipp die Kühe wieder auf die Weide zurückschickt. Dabei wird von Tag auf Nacht immer wieder die Weide gewechselt.

„Wenn man sich auf die Energien der Natur einlassen kann und mit ihnen arbeitet, dann profitiert auch das Endprodukt davon – in unserem Fall der Käse.“

In der weiteren Verarbeitung wird jeder Schritt genauestens protokolliert. Wie die Produktion genau verläuft, ist aber von verschiedenen Faktoren abhängig. Felix möchte mit uns heute einen großen Laib herstellen, doch ob ihm das gelingt, kann er erst im Verlauf genau sagen. Die Käseherstellung in dieser Form ist ein Handwerk des Fühlens und Spürens. Ein Naturprodukt wie Milch verhält sich nicht immer genau gleich. Vor allem, da in kleinen Manufakturen im Gegensatz zu den großen industriellen Produktionen noch mehr Freiheit für den natürlichen Lauf der Dinge besteht. Das ist für Felix auch ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit: Was die Natur mit sich bringt, damit wird gelebt und produziert. Wenn also die Milchmenge oder der Käsebruch nicht ganz so sind, wie er es für den großen Laib braucht, dann werden es eben mehrere kleine Käselaibe. Felix zeigt uns seine Schatzkammer mit allen Käsen, die in den letzten Wochen hergestellt wurden, sowie ein paar Laiben, die hier schon deutlich länger lagern. Darunter auch der „Bergkönig Gran Riserva“ von 2021, der von den Juroren des World Cheese Awards 2023 in Norwegen mit Gold ausgezeichnet wurde.

Käse vom Fließband ist nichts für mich. Ich will etwas Eigenes erzeugen und auch immer Neues ausprobieren. Mein Käse soll Charakter und Wiedererkennungswert haben.“

Nach dem Hinzufügen des Labs, einem natürlichen Enzym aus der Wachstumsdrüse des Kalbs, beginnt die Verdickung des Käses. In dieser Phase der Herstellung ist es besonders wichtig, dass im Raum idealerweise etwa 30 Minuten lang absolute Ruhe herrscht. Bereits Schwingungen beim Sprechen können den Prozess beeinflussen.
Nach dieser Ruhepause ist die Milch zu einer puddingartigen Konsistenz, der sogenannten Gallerte, geronnen, der wir uns nun wieder widmen können. Mit einer großen Käseharfe schneidet Felix die Masse in Stücke, dem sogenannten Käsebruch. Über die Stückgröße kann nun auch wieder das finale Produkt beeinflusst werden. Je gröber der Bruch, desto weicher wird der Käse. Für den Almkäse von Felix brauchen wir einen eher kleinen Bruch. Unter ständigem Rühren schöpft er immer wieder etwas ab, überprüft die Konsistenz und den Geschmack, bis sie genau seinen Vorstellungen entsprechen. Sobald dieser Moment gekommen ist, wird der Bruch aus dem Kessel gelassen und durch ein feinmaschiges Tuch von der Molke getrennt. Nun folgt ein echter Kraftakt, denn die Masse muss mitsamt dem Tuch aus dem Auffangbecken in die Käseform gehievt werden. Dort auf dem Tisch lässt sich nun zum ersten Mal erahnen, dass daraus irgendwann ein Käselaib wird. Mit einer selbstgebauten Presse wird überschüssiges Wasser aus dem Laib gedrückt, welcher nun regelmäßig gewendet werden muss. Vom Melken bis zum Laib dauert der Prozess etwa vier Stunden. Der frische Käse wird am Tag darauf zum Auskühlen in den Keller gebracht. Nach 48 Stunden kommt er in ein Salzbad, wo er für eine Woche bleibt und woraufhin er auf den Holzbrettern im Keller lagert und jeden Tag geschmiert wird. Seine endgültige Genussreife erreicht ein Laib erst nach einem Jahr.

Die Schatzkammer: Hier lagert der ganze Geschmack der Alm.

Nach der Arbeit sitzen Felix, Maria und Philipp zusammen am Tisch, lassen das Getane Revue passieren, planen voraus und genießen die wärmende Sonne auf der Almterrasse. Von hier aus kann man Schwein Roland und seine Gattin Eileen mit den drei kleinen Schweinchen beim Suhlen im Schlamm beobachten oder die Vielfalt der Hühner im großen Gehege bewundern. Auch die Almkatze gesellt sich zu uns und lässt sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Das Leben auf der Alm tut allen gut.
Für die Menschen hier bedeutet es auch, Abstriche zu machen. Hier gibt es keinen alltäglichen Luxus, der im Tal als ganz normal betrachtet wird. Man kann nicht eben mal in die Stadt, um etwas einzukaufen, Mobilfunknetz und Internet sind nur an wenigen Stellen am Haus und dann auch nur dürftig nutzbar. Wobei es für die drei Almler eher ein Luxus und ein Privileg ist, mit diesen Abstrichen zu leben, denn es sind alles verzichtbare und im Leben eigentlich nicht notwendige Dinge. Felix, Maria und Philipp leben hier auf engem Raum wie eine Familie zusammen, aber zum Streiten oder für Langeweile gibt es hier sowieso wenig Zeit. Es ist immer etwas zu tun. Während Felix den Käse produziert und die Alm organisiert, bewirtet Maria die Wanderer, schmeißt Küche und Gästezimmer. Philipp betreut die Tiere und kümmert sich um den Stall. Ist Not an Mann oder Frau, helfen sie sich gegenseitig. Trotz der harten Arbeit und des Verzichts, können sich Felix und Maria kein schöneres Leben vorstellen und so zieht es sie Jahr für Jahr wieder auf die Alm. Wo nicht nur der Käse hoch hinauswill, sondern auch sie mit ihm.

Unter dem Himmel: Wie eine kleine Insel liegt die Alm zwischen den Berggipfeln.
Glück und Ruh liegt auf dem Rücken der Kuh. Sie ist hier der eigentliche Star

Für ihren gereiften Bergkäse konnten Felix und Maria nun bereits viermal bei den World Cheese Awards abräumen. Bei diesem globalen Käse-Event treten jährlich über 4000 Käseproduzenten aus mehr als 40 Nationen im Geschmacksvergleich gegeneinander an.

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