So klingt Südtiroler Brauchtum
Ende Sommer ist das Ultental – so wie weitere Täler Südtirols – Schauplatz des traditionellen Almabtriebs, bei dem die Rückkehr des Viehs von den Almen gefeiert wird. Hauptdarsteller sind die mit üppigen Kränzen und großen Schellen geschmückten Kühe. Genau diese Schellen blicken auf eine ebenso lange Geschichte zurück.
„Do kimmp sie, di Lora!”, ruft ein Junge in Lederhosen, als er sieht, wie seine geliebte Kuh nach drei Monaten Sommerfrische auf der Alm ins Dorf zurückkehrt. Voller Schwung zieht eine bunt geschmückte Kuhherde den Schotterweg entlang. Der Klang ihrer pompösen Schellen übertönt den Applaus der Zuschauer und die heiteren Melodien der Akkordeons. Unterbrochen wird das Bimmeln nur vom Knallen der Goaßln: Die typischen Lederpeitschen dürfen bei dieser beliebten Tradition der Wanderweidewirtschaft, auch Transhumanz genannt, nicht fehlen.
Es ist jetzt kurz nach Mittag und der Duft von würzigen Speckknödeln und süßen Krapfen mit Mohnfüllung zieht durch die Luft. Zahlreiche Männer und Frauen – die einen im typischen blauen Schurz, die anderen mit elegant geflochtenen Haaren – stehen hinter dem Lattenzaun und bewundern die Kühe, die von ihren Hirten angeführt werden. In den Augen der Hirten spiegelt sich eine Mischung aus Heiterkeit und Wehmut wider, jetzt, da die Sommersaison zu Ende geht. Die Tiere tragen gemäß Tradition einen üppigen Kopfschmuck und spektakuläre Kränze aus Tannenzweigen, Wacholder, Alpenrosen, Disteln und anderen Alpenblumen. Die wertvollen, polierten Schellen, die an Riemen mit Stickarbeiten oder bunten Wollfransen hängen und an den Hälsen der Tiere baumeln, schillern in der Sonne.
Der Almabtrieb ist eine jahrhundertealte Tradition. 2019 wurde die Transhumanz sogar in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Im Ultental, einem der unberührtesten Täler Südtirols, wird dieser bäuerliche Brauch streng gehütet – genauso wie manches traditionelle Handwerk.