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Ohne den Supervulkan würde es die Dolomiten nicht geben

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Vor ca. 280 Millionen Jahren befand sich im heutigen Trentino-Südtirol ein Supervulkan, der 12 Millionen Jahre lang immer wieder Feuer und Asche spuckte. Wir haben uns mit Evelyn Kustatscher, Paläobotanikerin und Kuratorin der Sonderausstellung zum Thema Supervulkan am Naturmuseum Südtirol, auf eine Zeitreise begeben und erfahren, wie sehr der Vulkan unser Leben auch heute noch prägt.

 

Frau Kustatscher, seit wann weiß man vom Bozner Supervulkan?

Dass es einen Vulkan in Bozen gegeben hatte, wusste man schon seit langem, allerdings hat sich nie jemand näher damit befasst. Das Interesse stieg erst in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren. Damals wurde in Meran und im Überetsch eine neue geologische Kartierung vorgenommen, das heißt, es wurde untersucht, welche Gesteine in welchen Gebieten vorkommen. Im Zuge dieser Kartierung wurde festgestellt, dass die Wände der beiden Calderas 600 und 800 m dick sind. Unter einer Caldera versteht man einen Krater mit vielen Kilometern Durchmesser, der durch den Einbruch der Magmakammer entsteht. Nun war klar, dass wir es hier nicht nur mit einem Vulkan, sondern mit einem Supervulkan zu tun haben, einem der größten der Erdgeschichte. Mit einem Durchmesser von 70 km erstreckte er sich von Sinich bei Meran bis nach Trient.

Evelyn Kustatscher wurde 2014 mit dem Südtiroler Forschungspreis ausgezeichnet.

Ein Supervulkan, dessen Auswirkungen wir auch heute noch sehen und spüren. Inwiefern?

Der Supervulkan zeigt sich heute in Form des Bozner Quarzporphyrs, eines weltbekannten und vor allem in der Architektur beliebten vulkanischen Gesteins. Vulkangestein ist sehr eisenhaltig, es nimmt Wärme schnell auf und gibt sie nur langsam wieder ab. Das heißt, das Gestein ist auch dann noch warm, wenn die Sonne bereits untergeht. Die Calderawand um Bozen sorgt somit – gemeinsam mit der kesselartigen Struktur des Geländes – dafür, dass es im Sommer sogar zu Tropennächten kommt. Es ist kein Zufall, dass der Virgl im Süden der Stadt als Naherholungsgebiet gilt: Die dortige Gesteinswand bekommt aufgrund ihrer nördlichen Ausrichtung weniger Sonne ab und heizt daher weniger stark auf als beispielsweise der Hörtenberg im Osten. Aber auch die Dolomiten würde es ohne den Supervulkan nicht geben. Das Sedimentgestein der Dolomiten liegt auf einem Porphyrsockel, den wir an der Erdoberfläche nicht sehen. Ohne diesen Sockel würden sich die Berge in einer ganz anderen Form präsentieren.

Die Felswände am Bozner Talkessel sind Überbleibsel vulkanischer Aktivität.

Wie hat der Supervulkan das Leben vor 280 Millionen Jahren geprägt?

Der Supervulkan von Bozen ist im Laufe der Erdgeschichte mehrmals ausgebrochen, wobei zwischen den Ausbrüchen teils hunderttausende Jahre liegen. In diesen Ruhephasen siedelten sich Insekten, Amphibien, Reptilien und verschiedenste Pflanzen im Gebiet an, wo es viel feuchter war als in der Umgebung. Es ist gut vorstellbar, dass bei einem Ausbruch nicht das komplette Leben ausgelöscht wurde. In Schutzzonen konnten manche Lebewesen überleben und der Bestand erholte sich – auch weil es sich nicht um besonders komplexe Lebensformen handelte. Ein kleiner Genpol war völlig ausreichend für das Überleben der Spezies. Da viele Pflanzen, Pollen und Fußspuren aus dieser Zeit fossil erhalten sind, können wir einiges über die damaligen Lebensbedingungen in Erfahrung bringen.

Beeinflusst ein Vulkanausbruch auch das Klima?

Bei einem Vulkanausbruch kann sich das Klima lokal oder weltweit verändern. Durch die Aschewolke werden die Winter mitunter kälter und im Sommer entsteht weniger Wärme, was wiederum – im Zeitalter der Menschen – zu Ernteausfällen führen kann. Daher gehen Völkerwanderungen teils auf außergewöhnlich starke Vulkanausbrüche zurück. Auch das größte Massenaussterben der Erdgeschichte vor 252 Millionen Jahren hängt mit Vulkanausbrüchen und dem darauffolgenden Klimawandel zusammen: Tausende Vulkanausbrüche im heutigen Sibirien schmolzen das Methaneis in den Polarböden und setzten Unmengen von Methan in die Atmosphäre frei.

Wann wurde das Forschungsprojekt zum Supervulkan ins Leben gerufen?

Das Forschungsprojekt „Living with the supervolcano“ lief von 2020 bis 2023 und es wurden Forschende aus verschiedenen Bereichen hinzugezogen. So untersuchten wir fossile Tierspuren, Pflanzen, Pollen und Grabgänge von Insekten. Aus dem ursprünglichen Projekt ist eine Reihe von Folgeprojekten entstanden. Eines davon konzentriert sich in Zusammenarbeit mit dem Landesmuseum Bergbau auf den historischen Abbau und die Nutzung von Porphyr. Wann und wo wurde wie viel Volumen abgebaut? Wohin wurde das Gestein exportiert? In Bozen besteht beispielsweise die Herz-Jesu-Kirche aus Porphyr. Der Bozner Quarzporphyr findet sich aber auch als Straßenpflasterung bei Schloss Schönbrunn, in Beverly Hills und vor dem Harrods in London. Aufgrund seiner rötlichen Farbe galt er lange Zeit als Prestigeprodukt und war besonders in der K.u.K.-Zeit und im Faschismus ein äußerst beliebter Baustoff. Im Zuge eines weiteren Folgeprojektes möchten wir außerdem gemeinsam mit der ETH Zürich die Datierung des Supervulkans genauer festsetzen und herausfinden, wie die Porphyre in den Alpen entstanden sind und warum es gerade hier einen Supervulkan gab.

Burg Hocheppan wurde im 12. Jahrhundert aus Bozner Quarzporphyr errichtet.

Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?

Die Arbeit als Paläontologin unterteilt sich in Feld- und Laborarbeit. Wir kennen die Gebiete, in denen wir suchen müssen, und dennoch entdeckt man auf jeder Tour etwas Neues. Das hängt auch mit dem sich verändernden Sonneneinfall zusammen. Tierspuren sieht man beispielsweise am besten, wenn das Licht von der Seite kommt. Pflanzenfossilien sind etwas einfacher zu erkennen, da sie meist schwarz sind und somit auf hellem Gestein stärker auffallen, aber natürlich bedarf es auch hier eines geschulten Auges. Die Funde werden abgetragen und im Labor genauer untersucht. In den letzten Jahren ist die Technologie sehr weit vorangeschritten und stellt uns heute ausgezeichnete Hilfsmittel wie verschiedene Scanner zur Verfügung. Durch chemische Untersuchungen können wir Rückschlüsse auf das damalige Klima und den Lebensraum ziehen und das Ökosystem rekonstruieren. Wir erfahren, wie Pflanzen und Tiere auf gewisse Situationen reagiert haben. Dieser Blick in die Vergangenheit ermöglicht es uns, Zukunftsprognosen zu erstellen und zu erfahren, wie wir Ökosysteme erhalten können. Bei der Paläontologie geht es also um viel mehr als nur Erdgeschichte.

Dieser fossile Baumstamm wurde bei Sinich gefunden.

Was hat Sie im Laufe des Forschungsprojekts besonders fasziniert?

Das Faszinierendste war, dass wir völliges Neuland betreten haben. Das Forschungsmaterial liegt direkt vor unserer Haustür und dennoch hat sich bisher kaum jemand damit befasst. Das heißt auch, dass es kaum Literatur zum Thema gab – vermutlich die größte Herausforderung. Mit jeder neuen Information öffnete sich uns eine weitere Tür, die wiederum Ausgangspunkt für zukünftige Forschungsprojekte sein kann. Interessant wäre es z. B. auch herauszufinden, wie sich das Vulkangestein auf den Weinanbau in Südtirol auswirkt. Es ist nie ausgeforscht und gerade das macht den Supervulkan so spannend.

Klein, aber oho: Fossile Pollen haben es in sich.

Mehr über das Forschungsprojekt und dessen Ergebnisse erfahren Sie in der Sonderausstellung „Caldera – Spurensuche im Supervulkan“. Vom 17.03.2023 bis 22.09.2024 lässt Sie das Naturmuseum Südtirol in Bozen anhand von Fossilien, Tiermodellen und einer Simulation des Supervulkans in eine ferne Welt eintauchen. Geöffnet von Dienstag bis Sonntag 10:00 – 18:00 Uhr, auch an Feiertagen.

Wer die Überbleibsel des Supervulkans mit eigenen Augen sehen möchte, dem empfiehlt sich ein Spaziergang auf der Oswaldpromenade in Bozen. Der Weg führt entlang der Calderawand bis zum Schloss Runkelstein, das ebenfalls aus Porphyr errichtet wurde.

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