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Design trifft Kunst

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Streben nach Perfektion und Authentizität begleitet von einem ausgeprägten Gespür für Material, Form und Nutzung: Der geborene Brixner Luca Martorano erschafft Designs, die höchste Ansprüche erfüllen. Diese Kunst hat dazu geführt, dass seine Werke nicht nur Produkte sind, sondern selbst zu Kunstobjekten avancieren.

Die Designs aus Luca Martoranos Hand werden von den prestigeträchtigsten Marken umgesetzt. Die renommierten italienischen Fahrradhersteller Bianchi und Cinelli sind nur einige davon. Der 43-Jährige hat in den nunmehr 18 Jahren seiner Aktivität unzählige Preise dafür erhalten. Dabei setzt er auf Präzision ohne Schnickschnack.

Es geht dem gebürtigen Brixner darum, das purste Design zu finden, das ein Material, eine Funktion oder die Form zum Star macht. Gleichzeitig folgen seine Objekte genauso konsequent den Gesetzen der Funktionalität: Möbel, Wohnaccessoires, Textildesigns und Fahrräder entstehen dabei. Mittlerweile arbeitet er gemeinsam mit seinem in der Toskana ansässigen Kompagnon Mattia Albicini im Team: ihr Unternehmen „Draw Studio“.

Luca Martorano präsentiert das von ihm designten Gravel-Bike.

Derzeit entsteht in der Nähe der Altstadt in Bozen ein eigenes Studio für die Designer. „Es ist mir wichtig, dass unsere Objekte auch gesehen und bekannt werden können“, sagt er. Wobei das gerade bei seinen neuesten Werken nicht einfach ist. Die Maße sind monumental, passend zum verwendeten Material: Tische, Lampenschirme und Stühle aus massivem Stein, die vom Designkünstler so vor einem Spiegel angeordnet werden, dass sie sich optisch bis in die Unendlichkeit vervielfachen. Passenderweise heißt sie „Beyond“, so viel wie „Darüber hinaus, jenseits“. 6 m lang ist diese Skulptur, wie er sie selbst nennt, geschaffen mit dem weltweit tätigen Naturstein-Unternehmen Bagnara mit Sitz in Eppan. Martorano geht damit einen weiteren Schritt weg von der an der Funktionalität orientierten Designwelt hin zur Kunst. Bearbeitet werden die Platten einzeln per Hand, was ihm wichtig ist. Jüngst gewann er mit „A Matter of Stone“ (Eine steinerne Angelegenheit) den ersten Preis der renommierten Fachzeitschrift „Elle Decor“, die dem Projekt auch einen Artikel gewidmet hat.

Im NOI Techpark wurde eine Kapelle umgestaltet.
„The Chapel“ von innen – wie aus einer Kapelle ein Multifunktionsraum wurde.

Viele der Werke Martoranos, der sein Studium an der Architektur- und Designfakultät des Politecnico in Mailand magna cum laude abschloss, sind hochdekoriert. Dazu gehört auch „Folio“, ein Tisch, der in verschiedenen Metallarten gefertigt werden kann: Er wurde mit dem „Archiproducts Design Award“ und bei den „Wallpaper Design Awards“ gewürdigt. Inspiriert ist der Tisch von aufgestellten, gegeneinander gelehnten Papierbögen, damit das Material am besten zur Geltung kommt, in diesem Fall poliertes und geschwärztes Messing. Durch die Vielseitigkeit der verwendbaren Materialien entfaltet sich eine vollkommen andere Wirkung. An diesem Beispiel zeigt sich auch die Herangehensweise an die Arbeiten von „Draw Studio“. Sie interessieren sich für Metall, Holz, Glas und Stein. „Wir streben nach dem Besten und haben uns auf die unterschiedlichsten Sektoren spezialisiert. Wir suchen nach den Experten auf ihrem Gebiet und mit diesen wollen wir eine profitable und dauerhafte Beziehung aufbauen, immer einen Schritt weiter als das, was sie bisher erlebt haben“, erläutert Martorano. Nachdem die Idee entstanden ist, bieten sie sie dem Partner, der die Idee umsetzt und produziert, an. „In der Zwischenzeit ist es zum Glück auch so, dass wir von Produzenten angesprochen werden. So war es auch im Fall des Tisches für die Firma DeCastelli, die Vorreiter in der Metallverarbeitung in Italien ist“, sagt er. Die Expertise des Wahl-Bozners ist übrigens auch an der Uni Bozen gefragt: Von 2014 bis 2021 arbeitete er an der Fakultät für Design als Vertragsprofessor.

Klare Kante zeigt „Folio“, ein filigranst verarbeiteter Tisch aus Bronze.
 

Martoranos Liebe gilt auch der Natur und den Pflanzen. Die Liebe zu allem, was grün ist, fließt in seine Arbeiten mit ein. So auch in ein besonderes Projekt: In Zusammenarbeit mit dem Architektenteam Barbara Breda und Markus Scherer entstand „The Chapel“, die Umgestaltung einer Kapelle im NOI Techpark in Bozen. „Die Aufgabe war, daraus einen Mehrzweckraum für spezielle Meetings, aber auch für Aktivitäten zur Erholung zu machen“, erklärt der Designer. Sie wollten dabei den besonderen Kirchencharakter, die spezielle Aura des Ortes, wahren und in den Möbeln wieder aufgreifen. Ein nüchternes Design, das sich für verschiedenste Konstellationen von Personen eignet. So können die Tische je nach Personenanzahl zusammengefügt werden. Die perfekte Ausführung der Tischkanten zeigt auch hier wieder die absolute Liebe zum Detail und zur Perfektion, welche die Arbeiten des Designers auszeichnet. Dieses Projekt hat übrigens den ersten Platz des Architekturpreises Südtirol im Jahr 2020 gewonnen. Apropos Pflanzen: Sie überfluten die Kapelle. Sie werden von den Designern mit Leidenschaft ausgewählt. „Sie sind nicht nur Dekoration, sondern tragen zur Verbesserung der Raumqualität bei und machen die Umgebung angenehm, lebendig, gesund, reich und besonders“, beschreibt der dunkelhaarige, großgewachsene Martorano. Kurz gesagt, die Begrünung ist ein eigenständiges Gestaltungsmittel, sowohl innerhalb als auch außerhalb von Wohnräumen, und nimmt in seinen Projekten einen privilegierten Platz ein. „Das Grün ist einer der Gründe, warum ich mich entschieden habe, in Südtirol zu leben“, erklärt er – immerhin hatte er nach seinem Studium viele Jahre in London und Mailand gelebt und gearbeitet. Den Kontakt mit der Natur, dem Wald und den Bergen empfindet er als wahrhaft nährend. Kreativität, Design und die Passion fürs Planen und Produzieren stehen in ständigem Gegensatz zur Idee der Natur, der Stille und Unberührtheit, wie zwei Seiten einer Medaille. „Ich lebe auf der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen diesen beiden gegensätzlichen Polen: natürlich und künstlich. Kontemplation und Kreation“, erzählt er.

Das Gravel-Bike Mark I auf der Basis eines Cinelli-Rahmens erfüllt höchste Ansprüche.
Farbe und Komponenten des Rades wurden sorgfältig gewählt.

Seine Liebe zur Natur kann der Wahl-Bozner auch bei seiner Lieblingssportart ausleben: dem Radsport. Deshalb liegt ihm auch das Fahrrad als Objekt sehr am Herzen. Er hat für die renommierten und bekannten Marken Italiens, für Bianchi in der Vergangenheit und für Cinelli in den letzten Jahren, bereits mehrere Fahrräder und Komponenten designt. „Es ist spannend, wenn man Radfahrer damit auf der Straße sieht“, berichtet er. Beobachten, wer sie sind, wie sie aussehen, wie sie damit umgehen, interessiert ihn. Die Nutzer seiner Möbel bekommt er seltener zu Gesicht.

„Opus Circle“ ist der Name dieses Bildes aus Stein, designt für Bagnara.

Zusätzlich zu den Katalogmodellen sind noch drei personalisierte entstanden. Eines davon nutzt er auch selbst: Mark I, ein Gravel-Bike. Es entstand auf Basis des Zydeco King Rahmens, den sie für Cinelli entwarfen. Er erhielt im Jahr 2020 den „ADI Design Index“, eine weitere Auszeichnung auf der langen Liste des Teams. Nicht nur die Linie und die gewählten Komponenten entsprechen den ästhetischen und funktionellen Ansprüchen Martoranos, auch die Farbpalette wurde sorgfältig gewählt und geht von Lagoon Blue über Moosgrün und Lava-Grau. Wichtig war ihnen, alle überflüssigen graphischen Elemente, wie etwa Schriften auf den Komponenten, die typisch für den Rennsport sind, wegzulassen. Dadurch stehen fließende Formen, Oberflächenbeschaffenheit und das Gesamtbild im Vordergrund. Es versteht sich von selbst, dass die Farbe, die Optik und spezielle Zusammensetzung der Lackierung in aufwendiger Recherche von ihm auserkoren wurden. Im Fahrrad findet Martorano auch beide Welten, die ihn interessieren, vereint: „Es ist ein Objekt, mit dem man die Natur in der Stille und mit Respekt erkunden kann“, ist er überzeugt.

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