Up, up and away
Der Herr der Lüfte
Nein, Aaron Durogati ist nicht Superman, aber auch er überschreitet Grenzen … Der zweifache Paragleit-Weltmeister (2013 und 2017) hat seine Leidenschaft für das Gleitschirmfliegen von seinem Vater vererbt bekommen. Schon in jungen Jahren begleitete er ihn bei seinen Flug-Abenteuern im Meraner Land. Später nahmen ihn auch andere Disziplinen in den Bann: Mit 18 Jahren wurde er Skilehrer, später widmete er sich dem Trail Running. Seine Expeditionen führten ihn in die entlegensten Orte dieser Welt.
Kein Wunder, dass Durogati zum elitären Kreis jener Athleten gehört, die am Red Bull X-Alps teilnehmen. Dabei handelt es sich um einen der härtesten Wettbewerbe der Welt, der Gleitschirmfliegen, Laufen, Wandern und Klettern kombiniert. Vier Mal hat er bereits an der extremsten Sport-Challenge im Alpenraum teilgenommen, bei der es 1000 Kilometer zu überwinden gilt. Derzeit bereitet er sich auf die nächste Ausgabe vor, die 2021 stattfinden wird. „Es ist weit mehr als ein Wettbewerb, es ist ein großes Abenteuer. Auch in den schwersten Momenten, wenn Anstrengung und Müdigkeit dominieren und du siehst, wie andere Athleten dich überholen – was ich übrigens überhaupt nicht ausstehen kann –, versuche ich mich an die schönen Dinge zu klammern. Darüber hinaus beeinflussen bei diesem Wettbewerb auch Strategie, Wetter und die Fähigkeit, seine Kräfte einzuteilen, den eigenen Erfolg.“
Zweimal hat Aaron Durogati den Paragleit-Weltcup gewonnen, 2013 und 2017
Normalsterbliche wären jetzt dazu geneigt, ihn als Extremsportler einzustufen, aber das möchte er so nicht stehen lassen: „Gleitschirmfliegen ist in den Alpen sehr beliebt und ich halte es keineswegs für eine Sportart der Extreme. Diese Definition suggeriert Gefahr und verleitet zu glauben, dass alle, die etwas damit zu tun haben, lebensmüde sind. Mit sechs Jahren habe ich das Fliegen für mich entdeckt und mit 15 bin ich zum ersten Mal allein geflogen. Es war ein langer Weg bis zu meinem Athleten-Dasein und dabei wurde mit Sicherheit nicht improvisiert. Einige Dinge in meinem Leben sind es vielleicht, aber die betreffen mehr meine körperliche Ausdauer“, betont er.
Und doch ist ihm die Angst nicht fremd: „Auch ich bin manchmal ängstlich. Angst ist in gewisser Weise ein positives Gefühl, wenn man damit umzugehen weiß. Sie macht mich vorsichtiger und lässt mich Situationen besser einschätzen. Absurderweise ist es gefährlicher, wenn man keine Angst hat. Dann beginnt man, aufgrund der Routine unvorsichtig zu sein. Man sollte das, was man tut, aber immer mit Ernsthaftigkeit tun.“
Nach vier Teilnahmen am Redbull X-Alps, möchte der 34-Jährige aus Meran, auch 2021 sein Können beweisen
Ein echter Wendepunkt in seiner sportlichen Karriere war die Verletzung, die er sich 2017 während der X-Alps Challenge zuzog. Ein Ereignis, das ihm seine Grenzen bewusst machte und ihn zwang, seine Einstellung zu Niederlagen zu überdenken: „Es war kein Unfall im klassischen Sinne, aber nach einem 70, 80 Kilometer langen Lauf waren meine Knie entzündet. Ich versuchte, noch drei weitere Tage im Rennen zu bleiben und den Abstand zu den anderen Athleten auszugleichen, indem ich besser als die anderen flog. Nach weiteren Anstrengungen verschlechterte sich aber mein gesundheitlicher Zustand und die Ärzte rieten mir, aufzuhören. Es war schwierig, weil ich zu den Favoriten gehörte und meine Mannschaft sehr stark war. Es war gar nicht so einfach, mich zurückzuziehen.“ Die Enttäuschung war groß, aber er reagierte wie ein echter Champion, und einige Monate später setzte er sich beim „Red Bull Dolomitenmann“ durch, einem Teamwettbewerb, der die Disziplinen Berglauf, Paragleiten, Mountainbiken und Wildwasser-Kajak vereint. Im Jahr darauf ging er ebenfalls als Sieger hervor. Aus der vorherigen Niederlage zog er aber seine Lehren: „Bis zu diesem Moment, war ich noch nie mit Verletzungen konfrontiert worden. Ich war überzeugt, dass mir niemand was anhaben konnte. Dann wurde mir klar, dass der Körper wie eine Maschine ist: Je mehr man ihn benutzt, desto mehr nutzt er sich auch ab – und ich habe mich gewiss nicht geschont! Ich habe gelernt, mehr auf meinen Körper zu hören, wenn er mir zu verstehen gibt, dass ich ihn gerade überfordere. Seitdem versuche ich, richtig zu trainieren. Dabei achte ich nicht auf die Häufigkeit, sondern auf die Qualität des Trainings.“
Aaron Durogati hat einen Ruf als Weltenbummler und doch ist sein Lieblingsberg immer noch die Mutspitze in Südtirol
Durogatis größtes Ziel? Den Schweizer Christian Maurer schlagen, der die letzten sechs X-Alps Ausgaben gewonnen hat. „Christian ist sehr stark, und wir sind auch Freunde. Wir werden sehen, was passieren wird …“
Brasilien, Patagonien und viele weitere Länder dieser Welt hat Durogati besucht und erkundet und doch bleibt Meran sein Zuhause. „Es ist ein besonderer Ort, aufgrund des Klimas, der Natur und der Lebensart. In nur zehn Minuten gelangt man von der Stadt in die Berge. Ich kann mich glücklich schätzen“, erklärt er und betont, dass die Mutspitze, sein Lieblingsberg, auch nur einen Katzensprung entfernt liegt.
Wenn er nicht gerade in der Luft dahingleitet, trainiert er im Fitnessstudio und bereitet sich auf neue Herausforderungen vor oder verbringt wertvolle Zeit mit seinem Sohn Arno, 3 Jahre, und seiner Lebensgefährtin Renata, die er beim Gleitschirmfliegen kennengelernt hat. „Arno ist das erste Mal mit uns geflogen, da war er erst zwei Jahre alt. Mittlerweile hat er bereits Dutzende Flüge hinter sich“, verrät er. Bekanntlich fällt der Apfel nicht weit vom Stamm und wer weiß, vielleicht darf sich die Gleitschirm-Szene bald auf einen neuen Helden der Lüfte freuen.